Kann man ein Wohnrecht im Wege der Zwangsversteigerung verlieren?
Aktualisiert am 15. Mai 2023
Die Absicherung des Rechts, in einer Immobilie wohnen zu bleiben, auch wenn man nicht selbst Eigentümer ist, kommt immer häufiger zum Tragen. Dies insbesondere bei innerfamiliären Immobilienübertragungen, bei denen etwa den Kindern bereits zu Lebzeiten der Eltern eine Immobilie übertragen wird oder aber bei der klassischen Immobilienverrentung, bei der einem Dritten eine Immobilie verkauft wird, um das in ihr gebundene Vermögen für die Verkäufer verfügbar zu machen.
Beiden Fallgruppen ist gemein, dass die vormaligen Eigentümer Sicherheit darüber haben wollen, ob sie (meist bis an ihr Lebensende) in der Immobilie wohnen bleiben können. Besonders relevant wird diese Frage dann, wenn die Immobilie versteigert wird. Dieser Sachverhalt soll anhand des nachfolgenden Fallbeispiels verdeutlicht werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei Immobilienübertragungen kann ein lebenslanges Wohnrecht im Grundbuch eingetragen werden, um trotz Eigentumsverlust das Wohnrecht zu sichern.
- Dieses Wohnrecht kann bei einer Zwangsversteigerung der Immobilie erlöschen, wenn es nach der Bank's Grundschuld im Grundbuch eingetragen ist.
- Um das Wohnrecht zu schützen, könnte es an erster Stelle im Grundbuch eingetragen oder ein Rückforderungsrecht vereinbart werden. Eine Rechtsberatung ist wichtig, um solche Vereinbarungen effektiv zu treffen.
Ausgangssituation: Miteigentum an einer Immobilie
In unserer Beispielsfallkonstellation geht es um das Ehepaar Schmidt, das sich vor vielen Jahren gemeinsam ein Haus gekauft hat. Den Kaufpreis finanzierten sie bei ihrer Hausbank, die als Sicherheit hierfür eine erstrangige Grundschuld im Grundbuch des zu finanzierenden Eigenheims der Schmidts eintragen ließ.
Als sich die Eheleute trennen, übernimmt Frau Schmidt das Restdarlehen, das vormals zum Kauf der Immobilie von beiden Ehepartnern aufgenommen wurde, als Alleinschuldnerin. Im Grundbuch lassen die Eheleute Herrn Schmidt als Eigentümer löschen und Frau Schmidt erhält das Alleineigentum. Herr Schmidt lässt sich ein lebenslanges Wohnrecht in Abteilung II des Grundbuchs eintragen und bleibt nach dem Auszug seiner Frau im Rahmen der Scheidung in der vormals gemeinsamen Immobilie wohnen.
Regelungen im Rahmen der Scheidung
Der Status nach der Scheidung ist also, dass Frau Schmidt Alleineigentümerin des Hauses ist, aber die noch bestehende Restdarlehenssumme begleichen muss, Herr Schmidt ist nicht mehr Eigentümer des Hauses, hat aber ein lebenslanges Wohnrecht, das als beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch in Abteilung II eingetragen wird.
Wie geht es weiter?
Solange Frau Schmidt die Darlehensraten bezahlen kann und dies auch tut, ändert sich für die Eheleute an diesem Status nichts. Problematisch wird der Sachverhalt aber dann, wenn Frau Schmidt in Geldnot gerät und die Darlehensraten nicht mehr bezahlt.
Die Bank wird sich auf Basis der im Grundbuch stehenden und das Darlehen absichernden Grundschuld durch Verwertung ihrer Immobiliensicherheit schadlos halten wollen und nach dem vergeblichen Versuch, die Darlehensschuld anderweitig beizutreiben, die Zwangsversteigerung der Immobilie beantragen.
Auswirkung der Zwangsversteigerung für die Alleineigentümerin
Für Frau Schmidt als Alleineigentümer bedeutet dieser Schritt, dass nach dem ca. 1,5 Jahre dauernden Zwangsversteigerungsverfahren der Zuschlag an den Höchstbietenden erteilt wird und sie damit von Gesetzes wegen ihr Eigentum an den sogenannten Ersteher der Immobilie verliert.
Beim Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren handelt es sich nämlich um Eigentumserwerb durch Hoheitsakt, das heißt ohne weiteres Zutun – vor allem nicht des Voreigentümers. Die Bank vereinnahmt im Nachgang des Zuschlags den Versteigerungserlös, um die offene Darlehensverbindlichkeit der Frau Schmidt zurückzahlen zu können.
Auswirkung der Zwangsversteigerung für den Wohnrechtsinhaber
Was bedeutet die Zwangsversteigerung für Herrn Schmidt als Wohnrechtsberechtigten? Für ihn hängt die Frage der Werthaltigkeit seines lebenslangen Wohnrechts an der Frage, ob das Recht mit Zuschlag in der Zwangsversteigerung erloschen ist. Maßgeblich für das Bestehenbleiben von Rechten ist § 91 Zwangsversteigerungsgesetz. Hier ist geregelt:
§ 91
(1) Durch den Zuschlag erlöschen unter der im § 90 Abs. 1 bestimmten Voraussetzung die Rechte, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleiben sollen.
(2) Ein Recht an dem Grundstück bleibt jedoch bestehen, wenn dies zwischen dem Berechtigten und dem Ersteher vereinbart ist und die Erklärungen entweder im Verteilungstermin abgegeben oder, bevor das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs ersucht ist, durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden.
(3) Im Falle des Absatzes 2 vermindert sich der durch Zahlung zu berichtigende Teil des Meistgebots um den Betrag, welcher sonst dem Berechtigten gebühren würde. Im übrigen wirkt die Vereinbarung wie die Befriedigung des Berechtigten aus dem Grundstück.
(4) Das Erlöschen eines Rechts, dessen Inhaber zur Zeit des Erlöschens nach § 1179a des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Löschung einer bestehenbleibenden Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld verlangen kann, hat nicht das Erlöschen dieses Anspruchs zur Folge. Der Anspruch erlischt, wenn der Berechtigte aus dem Grundstück befriedigt wird.
Die ganz maßgebliche Fragestellung für Herrn Schmidt also ist, welche Rechte nach Zuschlag bestehen bleiben.
Die Rangigkeit der Rechte im Grundbuch
Von Gesetzes wegen bleiben nur solche Rechte bestehen, die im Rang vor dem Grundpfandrecht stehen, aus dem die Zwangsversteigerung betrieben wird. Im Grundbuch gilt eine ganz klare “Rangigkeit”, die zum Beispiel bestimmt, wer im Wege der Zwangsvollstreckung als erster aus dem Zwangsversteigerungserlös bedient wird.
In unserem Fallbeispiel wird davon auszugehen sein, dass das Wohnrecht im Rang nach der Grundschuld der die Zwangsversteigerung betreibenden Bank eingetragen wurde. Darlehensausreichende Bankinstitute legen in der Regel wert auf erstrangige Besicherung, um im Ernstfall, also der Zwangsversteigerung, die betrieben wird, wenn die Darlehensraten nicht zurückgezahlt werden, auch erstrangig aus dem Versteigerungserlös befriedigt zu werden.
Bei einer Zwangsversteigerung, die aus einem nachrangigen Recht betrieben wird, muss der Inhaber der vorrangigen Rechte auch bevorzugt befriedigt werden, sprich, es besteht für den nachrangig betreibenden Gläubiger die Gefahr, dass nach der Befriedigung der vorrangig besicherten Gläubiger nichts mehr oder nicht mehr alles, was zur Rückzahlung der bei ihm bestehenden Verbindlichkeiten notwendig wäre, übrig bleibt.
Fazit für Herrn Schmidt
Für Herrn Schmidt bedeutet dies, dass sein Wohnrecht mit Zuschlag erlischt, weil es im Rang nach der Grundschuld der die Zwangsvollstreckung betreibenden Bank eingetragen wurde.
Ausgestaltungsmöglichkeit zum Schutz des Wohnrechts in der Zwangsversteigerung
Hätte Herr Schmidt sich im Vorfeld anwaltlich beraten lassen, hätte ihm ein kompetenter Jurist dieses für ihn sehr unerfreuliche Szenario sicherlich aufzeigen können und im Rahmen der Scheidung vertragliche Vereinbarungen treffen können, die Herrn Schmidts Wohnrecht geschützt hätten.
Dieser Schutz wäre möglich gewesen, wenn das Wohnrecht erstrangig im Grundbuch eingetragen worden wäre. Hierfür hätte man bei der finanzierenden Bank, die in unserem Beispiel erstrangig mit ihrer Grundschuld im Grundbuch besichert war, einen Rangrücktritt beantragen müssen. Je nach noch bestehender Höhe der Darlehensverbindlichkeiten hätte sie sich ggf. gegen Stellung weiterer Sicherheit zu einem Rangrücktritt bewegen lassen.
Des Weiteren bietet sich in derartigen Fallgestaltungen auch immer die Vereinbarung eines Rückforderungsrechts für den Wohnrechtsinhaber an. Dieses räumt ihm die Möglichkeit ein, im Falle einer Zwangsversteigerung das Recht zu haben, wieder selbst Eigentümer der Immobilie zu werden.
Zusammenfassung
Immobilieneigentümer, die ihr Eigentum aufgeben und sich zur Sicherung ihres Rechtes, in ihrem Eigenheim wohnen bleiben zu dürfen, ein Wohnrecht eintragen lassen, haben ein großes Schutzbedürfnis. Um das Wohnrecht im Ernstfall nicht zu verlieren, ist die Eintragung des Wohnrechts an erster Rangstelle im Grundbuch absolut essentiell. So unwahrscheinlich manche Fallgestaltungen auch scheinen mögen, so tragischer ist es, wenn sie Realität werden.
Das obige Beispiel zeigt, wie wichtig die intensive Beschäftigung mit den einzelnen Themenbereichen bei der Frage der Immobilienverrentung oder innerfamiliären Immobilienübertragung ist und wie enorm maßgeblich es überdies ist, rechtskundigen Rat einzuholen, um vertraglich und grundbuchlich bestmöglich geschützt zu sein. Für individuelle Beratung empfehlen wir Ihnen die Kontaktaufnahme über unser Beratungsformular. Wenn Sie sich noch weitergehend mit dem Thema Immobilienverrentung beschäftigen wollen, empfehlen wir Ihnen unseren kostenlosen “Leitfaden Immobilienverrentung”.
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